Der Earth Overshoot Day*** ist 2022 schon am 28. Juli. So früh wie noch nie. Trotz des erklären Ziels einer Nachhaltigen Entwicklung geht es insgesamt nach wie vor in die falsche Richtung – und das ein halbes Jahrhundert nach Erscheinen der “Grenzen des Wachstums“, trotz zahlloser Klimagipfel, der global beschlossenen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 und trotz, ja, auch mancher Teilerfolge.

Woran liegt’s? Woran genau scheitern wir da bisher kollektiv? Welche Diagnose soll man einer Gattung potenziell intelligenter Individuen stellen, die sich selbst systematisch ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstört? Immer offensichtlicher handelt es sich hier um ein systemisches Versagen. Auf solche gemeinsamen globalen Problemlösungen sind die vorhandenen politischen Institutionen gar nicht oder jedenfalls unzureichend ausgerichtet.
Erst recht gilt dies für die ökonomischen Institutionen, Akteure und Modelle: Die alte Annahme der Wirtschaftstheorie, dass durch das bloße Verfolgen des Eigeninteresses aller Akteure automatisch das größtmögliche Gemeinwohl erreicht würde, mag plausibel gewesen sein zu Zeiten von Adam Smith (und seine Metapher von der “unsichtbaren Hand” des Marktes).

Damals, vor 250 Jahren, herrschte im Vergleich zu heute an fast allem eklatanter Mangel, und ökologische externe Effekte oder gar planetare Grenzen waren überhaupt nicht in Sicht.
Heute ist das Gegenteil der Fall, die externen Kosten des Wirtschaftens und das Überschreiten der planetaren Grenzen sind zum größten Problem geworden. Das Weiter-so-wie-bisher kann keine Option sein, auch wenn sich manche das wünschen und bestimmte Akteure aus Wirtschaft und Politik das nach wie vor propagieren.
Für die Systemtheorie, an die manche bei der Überschrift vielleicht als erstes denken, ist die Antwort klar, aber letztlich unbefriedigend: Gesellschaftliche Systeme lassen sich eigentlich gar nicht transformieren, jedenfalls nicht durch irgendeine menschliche Willensanstrengung oder ähnliches. Das scheint leider auch der Earth Overshoot Day zu bestätigen: Menschen versuchen mit diesen oder jenen Maßnahmen einer negativen Entwicklung entgegensteuern, aber die Systeme laufen davon unbeeindruckt einfach weiter. Ok, das ist jetzt arg verkürzt, weil ich hier auf etwas anderes hinaus will:
Was ich mich und gern Euch alle hier frage: Sind wir als Gattung homo sapiens letztlich ähnlich wie Bienenvölker, die ja ein durchaus komplexes Kollektiv aufbauen, dessen Bauplan und Funktionieren aber weder von den einzelnen Bienen noch von allen Bienen gemeinsam verändert werden kann und somit auch nicht an veränderte Umweltbedingungen angepasst werden kann? Mir ist schon klar, dass all unsere Institutionen von A wie Arbeitsmarkt bis Z wie Zentralbankgeld menschengemacht und somit prinzipiell änderbar sind. Andererseits stehen gesellschaftliche Institutionen ja doch in Wechselwirkung mit den physischen und psychischen Bedürfnissen der Einzelnen und lassen sich nicht beliebig verändern. Angenommen also, unser evolutionäres Erbe lässt uns dazu tendieren, eine Bedrohung in räumlicher oder zeitlicher Distanz weniger ernst zu nehmen als das unmittelbare Hier und Jetzt, was doch ganz offenbar der Fall ist: Wie können wir uns Regeln geben, als eine Art kluger freiwilliger Selbstbindung (Odysseus lässt grüßen), die uns vor unseren eigenen Schwächen und unserer eigenen Unvernunft schützt?
Ganz konkret an dem wohl abgedroschensten, aber eben auch absurdesten Beispiel: Wie kann es sein, dass weltweit nur ein einziges Bienenvolk 🙂 existiert, das ohne Tempolimit durch die Gegend rast? Und bei dem offenbar auch die vielzitierte Schwarmintelligenz versagt?
Das letzte Wort soll hier Albert Einstein haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr. “ (1949).
